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Leichtbau als Lösung? Die fahrbare Caravan-Studie Stella Vita der TU Eindhoven wiegt trotz BEV-Antrieb nur 1,7 Tonnen Foto: Bart van Overbeeke
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Elektro-Zukunft von Wohnmobilen - Das wird noch dauern

2019 nährte die Präsentation des Iridium 70 EB die Hoffnung, dass Wohnmobile bald elektrisch unterwegs sein werden. Als PR-Coup hat der große Stromer sehr gut funktioniert, als Vorbote einer neuen Zeit hingegen nicht.

Im Pkw-Bereich ist das E-Auto eine mittlerweile feste Größe, auch in der Nutzfahrzeugbranche sind emissionsfreie Antriebe längst auf dem Vormarsch. Die seit vielen Jahren boomende Caravan-Branche tut sich hingegen schwer, auf den rollenden Elektrozug aufzuspringen. Wer in naher Zukunft emissionsfrei mit Camper in den Urlaub fahren will, kann künftig zwischen einer Handvoll kompakter Kleinbus-Umbauten mit E-Antrieb wählen oder muss einen Elektro-Pkw mit einem kleinen Wohnwagen kombinieren. Zwar beschäftigen sich die Hersteller großer Wohnmobile in Deutschland seit Jahren intensiv mit dem Thema, doch bis erste voll- und teilintegrierte Camper durch die Lande stromern, wird es noch ein Weilchen dauern.

Dass die E-Mobilität für Wohnmobilhersteller mit besonderen Hürden verbunden sind, zeigt das Beispiel des 2019 vorgestellten Iridium 70 EB - dem ersten zum Kauf angebotenen Elektro-Reisemobil. Der fast sieben Meter lange Teilintegrierte von WOF (Wohnmobil Outlet Factory) aus dem schwäbischen Weilheim an der Teck sollte in zwei Akkuvarianten mit 86 oder 108 kWh erhältlich sein, die einen Aktionsradius von 300 bis 400 Kilometer erlauben. Ein Anfang schien gemacht, das Medienecho war riesig. Doch mit Preisen von rund 170.000 beziehungsweise 200.000 Euro war bereits klar, dass der Kundenkreis für den Vollblutstromer klein bleiben dürfte. Mit weit über vier Tonnen Gewicht bewegte sich der 70 EB zudem oberhalb der bei Kunden beliebten 3,5-Tonnen-Klasse. Wenig überraschend, dass das Iridium-Projekt nur als Kleinserie von maximal 30 Fahrzeugen angedacht war. Am Ende blieb es jedoch bei einem Prototyp.

Am 70 EB verdeutlicht sich ein generelles Problem von E-Wohnmobilen, denn sollen die Batterien zumindest halbwegs befriedigende Reichweiten erlauben - 100 kWh und mehr sind dazu nötig - nimmt das Gewicht des Fahrzeugs um viele hundert Kilogramm zu, was größere Camper über der 3,5-Tonnen-Klasse hievt. Bleibt das zulässige Gesamtgewicht unter dieser Marke, darf das Fahrzeug von grundsätzlich allen Inhabern eines Pkw-Führerscheins gefahren werden, außerdem sind auf Autobahnen 130 km/h erlaubt. Jenseits dieser Gewichtsgrenze gibt es hingegen gesetzliche Einschränkungen. Vom Wohnmobilhersteller Erwin Hymer Group heißt es dazu: ,,Hier ergibt sich ein Spannungsfeld, da nur eine größere Batterie eine größere Reichweite garantiert, jedoch aufgrund der Gewichtsthematik schwer im Markt umsetzbar ist." Aufgrund der problematischen Vermarktungsperspektive für künftige Elektro-Wohnmobile fordert deshalb der Branchenverband CiVD von der EU eine Gesetzesänderung, die es Pkw-Führerscheininhabern künftig ermöglichen soll, Freizeitmobile mit 4,25 Tonnen Gesamtgewicht fahren zu dürfen.

Am gescheiterten Iridium-Projekt hat sich noch ein weiteres Problem der Branche offenbart, denn für Wohnmobile sind bislang keine Großserienlösungen für E-Antriebstechnik verfügbar. Die Kernkompetenz der Wohnmobilhersteller liegt in den Aufbauten mit schicken Wohnwelten, jedoch nicht darin, Fahrgestelle und dazu passende Antriebskonzepte zu entwickeln. Hier sind in der Regel die Nutzfahrzeughersteller in der Verantwortung, bei denen jedoch keine passenden elektrischen Lösungen im Regal liegen. Im Fall des 70 EB hat die Elektrifizierung die schwäbische Firma Efa-S übernommen, die sich darauf spezialisiert hat, konventionell angetriebene Fahrzeuge, vor allem Lieferwagen, auf E-Antriebstechnik umzurüsten.

Ebenfalls auf externes Elektrifizierungs-Knowhow hat Branchenriese Knaus Tabbert für seine 2021 vorgestellte Elektro-Wohnmobil-Studie E.Power Drive zurückgegriffen. Der auf dem Serienmodell Knaus VAN TI 650 MEG Vansation basierende Prototyp wurde gemeinsam mit Ingenieuren des Wohnmobilherstellers vom Rennsportspezialisten HWA AG auf Elektro umgerüstet. Die Firma aus Affalterbach verfügt unter anderem über ein breites Knowhow bei Elektro- und Hybridantrieben im Motorsport. Beim E-Power Drive hat HWA nicht nur den Diesel durch einen E-Motor ersetzt, sondern zusätzlich als Reichweitenverlängerer einen Dreischeiben-Wankelmotor eingebaut. Der Strom aus dem relativ kleinen 35-kWh-Akku reicht für knapp 90 Kilometer, soll es weiter gehen, versorgt die kompakte Wankel- die E-Maschine mit elektrischer Energie.

Das Spannende an diesem Konzept: Das Wohnmobil hat kein Reichweitenproblem, zugleich bleibt man beim Gewicht in der 3,5-Tonnen-Klasse. Bei Knaus Tabbert ist man zuversichtlich, dass sich in den nächsten Jahren bei der Elektrifizierung von Wohnmobilen etwas bewegen wird. Unter anderem auch, weil in einigen Ländern Europas wie etwa Norwegen bereits Verbrennerverbote gesetzlich verankert sind. Der börsennotierte Konzern will in voraussichtlich drei bis vier Jahren ein E-Wohnmobil mit Range Extender in Kleinserie auf den Markt bringen. Statt eines Wankelmotors wäre als Reichweitenverlängerer alternativ auch ein Diesel oder eine Brennstoffzelle denkbar. Letztere gilt vor allem in größeren Fahrzeugsegmenten als Königsweg, um die Zielkonflikte von Reichweite, Gewicht, Kosten und Emissionen unter einen Hut zu bringen. Bei Knaus Tabbert wird man schauen, wie der Markt auf ein solches Angebot reagiert.

Auch bei Erwin Hymer macht man sich seit einigen Jahren Gedanken um elektrische Antriebslösungen für Wohnmobile. Auch hier weiß man, dass es der Diesel angesichts von Euro 7, emissionsfreien Zonen und einer steigenden CO2-Besteuerung immer schwerer haben wird und die Nachfrage nach alternativen Antrieben in den kommenden Jahren steigen dürfte. Nach eigener Aussage steht der Konzern deshalb im intensiven Austausch mit seinen OEM-Zulieferern, um zukunftsfähige Lösungen zu erarbeiten. Als interessante technische Lösung nennt der für seine Marken Bürstner, Dethleffs, Laika oder LMC bekannte Hersteller aus Bayern ebenfalls die Brennstoffzelle.

Pläne für rein batterieelektrische Wohnmobile mit vielleicht 300 bis 400 Kilometer Reichweite stellt bislang kein Wohnmobil-Anbieter konkret in Aussicht. Als reine BEVs werden jedoch schon zeitnah zu Camper umgebaute E-Kleinbusse und E-Kleintransporter verfügbar sein. Dabei handelt es sich allerdings weniger um komfortable Wohnmobile für den großen Urlaubs-Trip als vielmehr um Weekender mit einfacher Ausstattung und relativ beengten Wohnwelten. Zu den ersten Anbietern wird Pössl mit dem ab April verfügbaren E-Vanster gehören. Der Camper-Umbau auf Basis des Citroen e-Spactourer soll dann zu Preisen ab rund 55.000 Euro bestellbar sein. Diesem Beispiel dürften in nächster Zeit noch andere Anbieter folgen und könnte sich hier sogar ein breiterer Markt öffnen. Allerdings setzt dieser Camper-Typ bei Raumangebot, Wohnkomfort und Reichweite frühe Grenzen.

Vielleicht muss die Caravan-Branche in puncto E-Mobilität auch radikaler umdenken und sich zum Beispiel für neuartige Leichtbaukonzepte öffnen. Eine entsprechende Anregung bietet das Solar Team der Technischen Universität Eindhoven mit dem 2021 vorgestellten Wohnmobil ,,Stella Vita". Hier wurde besonders konsequent auf Leichtbau und außerdem noch auf eine aerodynamische Grundform gesetzt. Trotz 60-kWh-Batterie wiegt das 7,2 Meter lange Gefährt nur 1,7 Tonnen, zudem wurde die Außenhaut großzügig mit Solarzellen eingekleidet. Der E-Camper soll sogar autark ohne Ladeinfrastruktur funktionieren. An sonnigen Tagen kommt das Wohnmobil theoretisch über 700 Kilometer weit mit seinem selbst produzierten Strom. Autark und klimaneutral - das klingt nach dem perfekten Wohnmobil der Zukunft. Doch eine Serienproduktion ist nicht vorgesehen.

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