30 Jahre Audi A4 - Passion Premium in neuer Numerik
War dies ein großer A8 oder doch der neue Audi A4? Im frischem Markendesign, wie es zuerst das Flaggschiffmodell zeigte, mischte der A4 vor 30 Jahren die Mittelklasse auf. Ob als Linkespur-TDI, Hochleistungskombi oder Plug-in-Hybrid-Pionier, dieser Audi versuchte, BMW 3er und Mercedes C-Klasse zu überholen
Zeitenwende in Ingolstadt: Die seit 30 Jahren gebaute Bestseller-Baureihe Audi A4 heißt in neuster Generation Audi A5, denn gerade Zahlen sollen jetzt Signal für Stromer sein. Und damit für eine elektrische Zukunft, die im November 1994 mit dem ersten Audi A4 (B5) begann: Diese sportive Mittelklasse attackierte BMW 3er und Mercedes C-Klasse nicht nur mit schnellen TDI-Sparabzeichen, starken RS-Sportabzeichen und quattro-Allradtechnik, sondern auch mit dem A4 Duo als erstem Diesel-Plug-in-Hybrid für bis zu 50 elektrische Kilometer.
Obwohl nur 4,48 Meter lang und damit über einen halben Meter kürzer als das sechs Monate zuvor eingeführte Audi-Flaggschiff A8, adaptierte der A4 die Konturen der späteren Kanzlerlimousine erfolgreich – speziell die ähnlich aussehende Frontansicht irritierte sogar Fachleute. Die Käufer dagegen freute es, sie machten die neue Mittelklasse im Premiumlook zum Millionenerfolg. Tatsächlich nahm sich der A4 den A8 in mehrfacher Hinsicht zum Vorbild – die kleinen Spaltmaße der Karosserie etwa zeugten von hochpräziser Fertigung, und die Verarbeitungs- und Materialqualität des A4 wurde Referenz für manchen Wettbewerber. So überraschte es nicht, dass der seit 1972 fünfte mittelgroße Audi nicht mehr 80 hieß, sondern in die mit dem A8 begonnene Nomenklatur integriert wurde. Als A4 rangierte der Mittelklässler in fünf Generationen regelmäßig unter den Top Ten der deutschen Zulassungsstatistik. Eine Rolle, die heute der A5 übernehmen soll – als neues Herz der Marke.
Die 1990er waren das wilde Jahrzehnt von Baggy Jeans, T-Shirts und Hoodies in grellen Farben, dem TV-Kanal VIVA, Loveparade und Tamagochi, aber auch von Langzeit-Bundeskanzler Helmut Kohl mit Mercedes S-Klasse, bevor sein Nachfolger Gerhard Schröder in den Audi A8 umstieg. Die Überwindung der ersten Rezession nach der deutschen Wiedervereinigung, der „Aufbau Ost“ und neue Landwege wie der Eurotunnel nach Großbritannien und die zur Jahrtausendwende eröffneten Öresundbrücke nach Schweden kamen hinzu: In diese unruhige Dekade schien der Audi A4 (B5) mit Premiumanspruch perfekt zu passen, mit mutigen Antrieben und Sprüngen in der Qualität für frische Absatzerfolge und Evolution statt Revolution in der Formensprache. Die Marke mit den vier Ringen hatte den Nachfolger des Audi 80 in der Rekordzeit von 26,5 Monaten zur Serienreife gebracht, neuartiges Simultaneous Engineering in der Entwicklung und Serienvorbereitung hatten es möglich gemacht.
Eile war nötig, denn Audi versprach sich vom A4 eine Trumpfkarte in der zunehmend dichter besetzten Premium-Mittelklasse, in die erstmals Player aus Asien eindrangen. Xedos (Mazda) stellte die Vorhut, Lexus (IS) folgte, nicht zu vergessen die Ambitionen von Italienern, Briten, Schweden und Franzosen. Peugeot- und Renault-Entwickler wählten Audi-Modelle sogar als Referenz bei Qualität und Technik für ihre neuen höher positionierten Produkte wie 406 und Laguna II. Am Ende brauchte sich Ingolstadt keine Sorgen zu machen: Der A4 übertraf sämtliche Erwartungen, die Fachmedien waren voll des Lobes ob seiner Talente, und die Nachfrage toppte kurzzeitig die Lieferkapazitäten. Schon zum Marktstart im November 1994 war die nur 4,45 Meter lange A4 Limousine mit sechs verschiedenen Motorisierungen und in vier quattro-(Allrad)-Versionen erhältlich. Mit neuer Vierlenker-Vorderachse, Airbags, Servolenkung und ABS für alle Varianten hob der Audi Fahrsicherheit und Komfort auf ein höheres Niveau, und dazu passte die allgemein gelobte, hervorragende Verarbeitungsqualität.
Die Motoren profitierten von Leistungszuwächsen bei gleichzeitig niedrigeren Verbrauchswerten – nach einer Steuererhöhung stieg der Preis für den Liter Super 1994 auf knapp 1,60 Mark. Neue effiziente Benziner mit Fünfventiltechnik und knausrige TDI-Diesel-Triebwerke – ab 1999 mit Pumpe-Düse-Technik für damals sensationelle 310 Nm Drehmoment bei nur 5,3 Liter Verbrauch – machten den Audi A4 für Flottenkunden und Vielfahrer begehrenswert. Oberklasse-Temperament entfaltete der 240 km/h schnelle A4 2.8 mit dem laufruhigen 2,8-Liter-Sechszylinder-Benziner aus dem Flaggschiff Audi A8. Und dann gab es auch noch Spezialitäten wie den Audi Duo Avant als weltweit ersten in Serie gebauten Diesel-Plug-in-Hybrid: Die 320 Kilogramm schwere Bleibatterie mit 10,1 kWh Kapazität fand in der Reserveradmulde des Kombis Platz und ermöglichte Kurzstreckenfahrten mit maximal 80 km/h. Wer zu früh kommt, wird manchmal vom Leben bestraft: Nur 90 dieser Teilzeitstromer fanden Abnehmer. Erst rund 15 Jahre später war die Zeit reif für Plug-in-Hybride in großer Auflage.
In adrenalinhaltige Dimensionen stieß der ab 2000 gebaute, bis dahin schnellste Avant vor: 280 kW/380 PS schossen den Audi RS4 in 4,9 Sekunden auf Landstraßentempo, da blieb den Fahrern von BMW M3 und sogar Ferrari 456M nur der Anblick der Rücklichter. Statt der von Audi erhofften 3.000 Einheiten fanden mehr als 6.000 RS4 rasanten Absatz – und Hochleistungskombis auf Audi-A4-Basis blieben fortan im Programm. Auch auf der Rennstrecke machte Audi den A4 salonfähig und zwar bei den seriennahen Super-Tourenwagen. 1996 gewann der Audi A4 quattro Meistertitel in sieben Ländern und bis 2011 holte der A4 fünf Titel in der DTM.
Im Jahr 2000 präsentierten die Ingolstädter den komplett überarbeiteten, zweiten A4 (B6). Die puristischen Formen des Neuen gewannen Designpreise, aber auch mit einem leichten Fahrwerk dank hohen Aluminiumanteils konnte dieser A4 punkten. Die Benziner boten neue Direkteinspritztechnik, und das stufenlose Multitronic-Getriebe stand für mehr Schaltkomfort, war aber nicht unumstritten. Dagegen beeindruckten die S4 Limousine und Avant mit einem voluminösen 4,2-Liter-V8. Downsizing galt 2004 für den dritten A4 (B7) – zu erkennen am großen Singleframe-Kühlergrill: Direkteinspritzer plus Turboaufladung brachten nun bulliges Drehmoment. Neuen Open-Air-Spaß für die Familie lieferte das A4 Cabriolet, mit dem Audi gegen die Sonnenkönige von BMW (3er), Saab (9-3) oder Volvo (C70) antrat. In den von 2007 bis 2015 gebauten vierten A4 (B8) integrierte Audi Assistenzsysteme und Onlinedienste für die neue „Always-On“-Generation mit Smartphones und Tablet. Auch den Offroad-Trend bediente Audi, dafür stand der rustikal gestalteten A4 Avant allroad quattro bereit. Die finale A4-Auflage mit Verbrennern (B9, von 2015 bis 2024) präsentierte sich wie der Vorgänger auch mit langem Radstand: Luxus für China, dem nun weltgrößten Automarkt.
Jetzt werden die ersten Audi A4 (B5) Kandidaten für ein amtliches H-Kennzeichen. Ob sich Klassikerfans für diese Mittelklasse interessieren, beantwortet Expertin Aleksandra Lippert von der Oldtimer-Bewertungsorganisation Classic Analytics: „Mit dem A4 änderte sich bei Audi nicht nur die Nomenklatur, sondern auch das Design. Gefragt sind derzeit bei Audi-Fans, eigentlich wie immer, die leistungsstarken Modellvarianten und dann idealerweise mit quattro-Antrieb. Ein guter A4 2.8 V6 quattro kostet daher im guten Zustand um die 5.900 Euro.“
Chronik:
1972: Vorstellung des Audi 80 (B1) als erster Audi-A4-Vorläufer mit zwei- und viertürigen Limousinen
1978: Im August Marktstart der zweiten Generation des Audi 80 (B2) als zwei- und viertürige Limousine
1981: Im August Einführung der Spitzenversion Audi 80 CD mit Fünfzylinder-Benzinern und Vierzylinder-Dieselmotor
1982: Im November Lancierung des ersten Audi 80 quattro mit Allradantrieb. Der Audi 80 ist nach dem 1980 präsentierten Audi quattro das zweite Audi-Modell mit Allradantrieb. Drei Jahre später bietet Audi zwanzig unterschiedliche quattro-Typen an bei einem Produktprogramm von insgesamt 45 Typen
1986: Im Herbst debütiert die dritte Generation des Audi 80 (Serie B3, Typ 89), dies nur noch als viertürige Limousine
1987: Einführung des Audi 90 als Luxusversion des Audi 80
1991: Mit dem Audi 80 (B4) geht die letzte Generation des 80 in Serie, im Herbst 1992 ergänzt um die Kombiversion Avant; mit dem gemeinsam mit Porsche entwickelten Avant RS 2 startet der erste Hochleistungskombi in der Audi-Mittelklassereihe
1992: Entwicklungsstart für den Audi A4, der in der Rekordzeit von 26,5 Monaten realisiert werden soll
1994: Nach dem im Oktober erfolgten Pressedebüt folgt im November 1994 die Markteinführung des Audi A4 als Nachfolger der Audi-80-Baureihe. Der erste Audi A4 (B5) basiert auf der neuen Plattform PL45, die später für den Audi A6 (C5), Skoda Superb und Volkswagen Passat (B5) genutzt wird. Zur Serienausstattung des Audi A4 zählen Fahrer- und Beifahrer-Airbag, ABS und Servolenkung. Die Motorenpalette umfasst zunächst einen 74 kW/101 PS entwickelnden 1,6-Liter-Vierzylinder als Basis-Benziner, aber auch einen 1,8-Liter-Fünfventil-Vierzylinder mit 92 kW/125 PS bzw. 110 kW/150 PS (als Turbo), einen 2,6-Liter-V6 mit 110 kW/150 PS, einen 2,8-Liter-V6 mit 128 kW/174 PS (dieser Motor kommt auch im Audi-Flaggschiff A8 zum Einsatz) sowie einen 66 kW/90 PS abgebenden 1,9-Liter-TDI (Diesel). Allradantrieb (quattro) ist von Beginn an für verschiedene Motorsierungen im Angebot
1995: Im September wird die Kombiversion Audi A4 Avant eingeführt
1996: Bei den seriennahen Super-Tourenwagen gewinnt die Rennversion des Audi A4 quattro Meistertitel in sieben Ländern. Im Herbst debütiert der Audi Avant Duo, der 1997 als weltweit erster Diesel-Plug-in-Hybrid in Serie geht. Bis zu 50 Kilometer fährt der Plug-in-Hybrid elektrisch, allerdings werden nur 90 Exemplare abgesetzt
1999: Die quattro GmbH, eine Audi-Tochter, präsentiert das erste eigenständig entwickelte RS-Modell, den Audi RS 4 Avant (B5) mit 280 kW/380 PS starkem 2,7-Liter-Biturbo-V6-Motor als einen der ersten Hochleistungskombis. Insgesamt werden ab dem Jahr 2000 exakt 6.043 Audi RS 4 Avant (B5) ausgeliefert
2000: Die zweite Generation des Audi A4 (B6) debütiert, dies mit neuem, leichtem Fahrwerk dank hohen Aluminiumanteils. ESP sowie Seiten- und Kopfairbags sind serienmäßig an Bord. Im Euro NCAP Crashtest erzielt der A4 (B6) Bestnoten und in den USA die Sicherheitsnote „Best Pick“, das beste Ergebnis, das in den USA bisher für ein Mittelklassemodell vergeben wurde. Neu ist auch das stufenlose Multitronic-Automatikgetriebe. Bis zum Jahr 2004 werden 1.074.278 Einheiten des Audi A4 (B6) gebaut
2001: Mit dem Produktionsende für den A4 Avant (B5) endet die Fertigung für die erste Audi-A4-Generation. Gleichzeit startet der Audi A4 (B6) in Kombiversion. Mit 108.595 verkauften Audi A4 ist dies in Deutschland das erfolgreichste Verkaufsjahr für die Baureihe
2004: Die dritte Generation des Audi A4 (B7) gibt sich am sogenannten Singleframe-Kühlergrill zu erkennen. Limousine und Avant der neuen A4-Generation starten diesmal gleichzeitig. Bis 2007 werden 1.000.338 Einheiten dieser A4-Generation gebaut
2005: Im November startet die 420 PS starke RS4 Limousine als neuer Spitzentyp des A4 (B7) und im Sommer 2006 folgt der RS4 Avant. Der A4 erlebt in Deutschland mit 100.910 Zulassungen sein zweitbestes Verkaufsergebnis nach dem Rekordjahr 2001
2006: Produktionsanlauf des Audi A4 Cabriolets (B7) Â
2007: Die unter Chefdesigner Walter de Silva in elegante Formen gebrachte vierte Generation des Audi A4 (B8) debütiert auf der sogenannten längsmodularen Plattform. Da hier die Anordnung von Kupplung und Getriebe getauscht werden kann, rückt die Vorderachse um 15,4 Zentimeter nach vorn, auch mit dem Ergebnis besonders eleganter und muskulöser Formen. Die Vierzylindermotoren sind neu, ebenso wie das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe, die erste Dynamiklenkung in der Baureihe und adaptive Stoßdämpfer
2008: Mit 98.714 Zulassungen in Deutschland erreicht der A4 hierzulande sein dritterfolgreichstes Jahr
2009: Der Audi A4 Avant debütiert als Allroad quattro mit Offroadapplikationen im Segment der Crossover-Kombis. Für den chinesischen Markt wird ab Januar 2009 die Langversion A4L produziert  Â
2011: Martin Tomczyk ergänzt die Erfolgsstory des Audi A4 DTM in der Saison 2011 um den insgesamt fünften Titelgewinn für den Audi A4 DTM
2012: Nun gibt es auch den Audi A4 (B8) als RS4 Limousine und Avant, diesmal mit 331 kW/450 PS starkem 4,2-Liter-V8 FSI
2015: Im Juni wird die fünfte Generation des Audi A4 (B9) im Internet vorgestellt, das Messedebüt erfolgt im September auf der IAA in Frankfurt. Die nun 4,73 bis 4,78 Meter langen Limousinen und Kombis (Avant) basieren auf dem weiterentwickelten modularen Längsbaukasten (MLB-Plattform), den auch der zweite Audi Q7 nutzt. Das bisherige, stufenlose Multitronic-Automatikgetriebe wird durch ein Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe ersetzt
2019: Facelift mit neuer Front- und Heckgestaltung des A4, LED-Scheinwerfer und Rückleuchten sind nun serienmäßig
2023: Der Audi A4 erzielt in Deutschland 35.905 Neuzulassungen, ein Plus von über 11.000 Einheiten gegenüber dem Vorjahr
2024: Seit 1999 wurden vom A4 in Deutschland 1.601.078 Einheiten zugelassen. Der Audi A4 (B5) wird 30 Jahre alt, und damit werden die ersten Exemplare Kandidaten für ein amtliches H-Kennzeichen. Audi würdigt das A4-Jubiläum mit verschiedenen Aktionen, gleichzeitig läuft die letzte Generation des A4 mit Verbrenner aus. Schon im Juni 2024 debütiert der Audi A5 mit Verbrenner als Nachfolger des bisherigen A4, denn Audi ändert die Namensgebung der Fahrzeuge. Ungerade Zahlen stehen künftig für elektrische Modelle, gerade Zahlen wie die 4 indizieren Modelle mit Verbrenner oder Plug-in-Hybrid
Produktionszahlen Audi A4 (B5):
Audi A4 (B5) insgesamt (1994-2001): 1.620.010 Einheiten, davon
Limousine 960.793 Einheiten (1994-2000),
Limousine quattro 421.627 Einheiten (1994-2000),
Avant 156.923 Einheiten (1995-2001),
Avant quattro 80.667 Einheiten (1995-2001).
Wichtige Motorisierungen des ersten Audi A4 (B5):
1,6-Liter-Vierzylinder-Benziner (75 kW/101 PS);
1,8-Liter-Vierzylinder-Benziner (92 kW/125 PS bzw. 110 kW/150 PS);
2,4-Liter-V6-Benziner (121 kW/165 PS);
2,6-Liter-V6-Benziner (110 kW/150 PS);
2,7-Liter-V6-Benziner-Biturbo für S4/RS4 (195 kW/265 PS bzw. 280 kW/380 PS);
2,8-Liter-V6-Benziner (128 kW/174 PS bzw. 142 kW/193 PS);
1,9-Liter-Vierzylinder-TDI-Diesel (66 kW/90 PS bzw. 81 kW/110 PS bzw. mit Pumpe-Düse 85 kW/115 PS);
2,5-Liter-Sechszylinder-TDI-Diesel (110 kW/150 PS).