Weinsberg feiert 50 Jahre Kastenwagen - Es begann mit dem Fiat-Wohnmobil 238

1969 ging das erste Weinsberg-Wohnmobil an den Start auf Basis des Ducato-Vorläufers Fiat 238. Kompakte Kastenwagen oder CUVs spielen auch heute eine wichtige Rolle.

Es wirkt irgendwie putzig neben dem kompakten Reisemobil Weinsberg CaraTour. Und selbst mit ausgeklapptem Aufstelldach wird das Fiat-Wohnmobil 238 aus dem Jahr 1969 von dem aktuellen Kastenwagen überragt. Pardon, Kastenwagen, das war gestern - zumindest nach Definition der Marke Weinsberg. Am Firmensitz in Jandelsbrunn hat man den Begriff Caravaning Utility Vehicle (CUV) für jene Fahrzeuggattung kreiert, die zuletzt größter Treiber des schon lange anhaltenden Reisemobil-Booms war. Damit soll dem Zeitgeist Rechnung getragen werden: ,,50 Jahre CUV" also.

Doch egal ob CUV oder Kastenwagen, die Historie des mobilen Wohnens begann der kompaktesten Variante, dem Campingbus. Bei VW schon etwas früher mit den Urahnen von Joker und California, bei der Traditionsmarke Weinsberg eben vor exakt einem halben Jahrhundert mit dem ersten Fiat-Wohnmobil.

Als Markenname kann Weinsberg auf eine weitaus längere Geschichte zurückblicken. Die Karosseriewerke Weinsberg (KW) waren schon 1912 in dem gleichnamigen Ort bei Heilbronn gegründet worden und nach schnellem Wachstum als Zulieferer großer Autohersteller wie Opel, BMW oder Daimler im Jahr 1938 an Fiat verkauft worden. Unter dem Dach der Italiener, die 1929 schon das Heilbronner Werk von NSU übernommen hatten, wurde zunächst der Fiat 500 Topolino und ab 1960 dann der NSU-Fiat Neckar in Weinsberg produziert, ehe die Karosseriewerke 1969 ihr erstes ,,eigenes" Automodell auf den Markt brachten: ein Wohnmobil auf Basis des Fiat-Transporters 238, der gut zwei Jahre vorher Premiere gefeiert hatte.

Das Bemerkenswerte: Der CUV-Urahn war auf 4,60 Länge nicht nur erstaunlich geräumig, sondern flexibler konstruiert als so manches Modell heutiger Machart. Das Fahrerhaus für insgesamt drei Passagiere war vom Wohnraum zwar völlig abgetrennt. Da der 46 PS starke 1,5-Liter-Benziner unter der breiten Beifahrersitzbank untergebracht war, konnte auf dem durchgehend eben verlaufenden Wagenboden aber eine großzügige Hecksitzgruppe mit zwei Längsbänken installiert werden. Umgebaut zu einem Doppelbett ergab sich dort eine fürstliche Liegefläche von 190x168 Zentimeter.

Jeweils zwei Flügeltüren ermöglichten bei niedrigem Einstieg einen ebenso bequemen Zugang von der Seite wie von hinten. Die Küchenzeile mit Zwei-Flammen-Gaskocher und Spüle wurde als optischer Raumteiler an der Rückwand zum Fahrerhaus positioniert. Der Kühlschrank ließ sich schon damals mit Gas oder elektrisch mit 12 und 220 Volt betreiben, und ein Aufstelldach in der Wagenmitte garantierte dem Hobbykoch bei aller Bewegungsfreiheit auch die nötige Stehhöhe.

Stauraum war im seitlichen Einbauschrank und in den beiden Sitzkästen ebenfalls reichlich vorhanden. Und der Clou der ganzen Konstruktion: Das gesamte Mobiliar ließ sich mit wenigen Handgriffen in Minutenschnelle komplett ausbauen, so dass der Fiat 238 - gemäß seinem ursprünglichen Zweck - im Alltag auch als Kleintransporter mit einem stattlichen Ladevolumen von 6,5 Kubikmetern eingesetzt werden konnte.

Das Weinsberg-Wohnmobil, das es als 238 E später in der Ausstattung Cosmos auch mit schmalem Durchstieg zum Fahrerhaus gab, entpuppte sich auf Anhieb als großer Wurf und führte in der Folgezeit zu einer Intensivierung der Motorcaravan-Fertigung - unberührt von der Fiat-Entscheidung, 1970 die Fahrzeug-Fertigung in Deutschland einzustellen und die Karosseriewerke (KW) an eine Treuhandgesellschaft zu verkaufen. Im Gegenteil, die KW-Wohnmobile spielten fortan eine immer bedeutendere Rolle auf den in- und ausländischen Märkten.

Ein hohes Renommee erwarb das Unternehmen etwa durch eine in dieser Vielfalt ungewöhnliche Bandbreite an Basisfahrzeugen. Das reichte vom VW T3 bis zum großen LT 28 und schloss den ,,Harburger Transporter" von Mercedes-Benz (L 206D, L 207) ebenso ein wie den größeren 207D/208, auf dem später der erste Orbiter entstand. Exoten wie der Peugeot J7, der Mitsubishi L300 oder der Opel Bedford Blitz, der als Motorcaravan ,,im Europa-Stil" beworben wurde, wurden bei Weinsberg aber ebenfalls als Herausforderung angenommen und in entsprechende Campingmobile umgewandelt. Selbst für den Van-ähnlichen Nissan Prairie fertigte Weinsberg einst eine maßgeschneiderte Inneneinrichtung. Natürlich blieb aber auch die enge Bindung zu Fiat erhalten, als Anfang der 80er-Jahre der Ducato den 238 endgültig ablöste.

Keine Frage, die Geschäfte liefen gut in den 80er-Jahren - bis zum 75-jährigen Jubiläum 1987. Dann ging es Schlag auf Schlag: Kurzarbeit, Übernahme, Niedergang. 1992 schließlich wird die Marke Weinsberg an die Tabbert Industrie AG (Tiag) im hessischen Sinntal-Mottgers verkauft. Fünf Jahre später wurde das Tiag-Unternehmen von der Knaus AG übernommen und später zur Knaus-Tabbert-Group GmbH verschmolzen. Weinsberg empfahl sich nun verstärkt dem abenteuerlustigen Aktivurlauber, was durch das nur kurze Zeit später folgende, spektakuläre Alkoven-Modell LEV auf Mercedes-Sprinter-Basis noch verstärkt wurde. Die Kompetenz in Sachen Kastenwagen ebenso wie die Flexibilität bei der Auswahl der Basis-Fahrzeuge sollte der X-Cursion unterstreichen, ein Campingbus mit Aufstelldach auf Basis des Renault Trafic - zwar nicht mit Allradantrieb, dafür ab rund 30.000 Euro äußerst günstig.

Doch der neue Kurs war wiederum nicht von langer Dauer, denn die Finanz- und Wirtschaftskrise zwang Ende 2008 auch Knaus in die Insolvenz. Knaus-Tabbert wurde vom niederländischen Investor HTP Investments übernommen, der die Gruppe heute zu einem der führenden Caravaning-Hersteller in Europa gemacht hat. Dabei spielt die Marke Weinsberg weiterhin eine wichtige Rolle. Mit dem CaraCompact Edition Pepper etwa stellte die Marke zuletzt den meistverkauften Teilintegrierten in Deutschland, quasi den Golf unter den T-Modellen.

Aktuell werden die beiden CUV-Baureihen CaraBus und CaraTour angeboten, jeweils in acht Grundriss-Varianten und drei Längen (5,41, 5,99 und 6,36 Meter). Auf Basis des Fiat Ducato mit Hochdach beginnt die Preisskala bei 38.650 Euro.

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