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Die ,,Porsche Heritage Experience" führte jetzt durch das Bundesland Rheinland-Pfalz Foto: Porsche
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Mit dem 911 auf den Spuren der Vergangenheit - Porsche und die Kultur

Porsche feiert seinen 75.Geburtstag und das 60jährige Jubiläum des Klassiker 911. Dabei sieht sich der Sportwagenbauer auch als Zeitzeuge von Lebensart und Kultur der jeweiligen Epochen. Deshalb gingen jetzt sieben 911 verschiedener Baujahre auf eine Tour durch Rheinland-Pfalz zu geschichtsträchtigen Sehenswürdigkeiten. Ein Sportwagen als Kulturbotschafter?

Ein Blick ins Lexikon verrät: Als Kultur werden im weitesten Sinne alle Erscheinungsformen menschlichen Daseins bezeichnet. Und dazu gehören nun mal auch die technischen Erfindungen, dank derer sich die Menschen seit über einem Jahrhundert fortbewegen. Die bekanntesten automobilen Kulturzeugen sind sicher das T-Modell von Henry Ford, der Volkswagen ,,Käfer", natürlich viele Mercedes-Modelle und eben auch der Porsche 911, der gerade 60 Jahre alt geworden ist. Kein Wunder also, dass Porsche wie die meisten Hersteller die Tradition pflegen.

Alexander E. Klein verwaltet seit elf Jahren bei Porsche die Sammlung an Fahrzeugen, von denen nicht alle auch ins Porsche-Museum passen, sondern in separaten Hallen stehen. Immer wieder sorgt er dafür, dass sich einzelne historische Modelle auch außerhalb der Mauern den Fans zeigen. Er hatte die Idee zur ,,Porsche Heritage Experience", die jetzt durch das Bundesland Rheinland-Pfalz führte. Sieben 911 aus verschiedenen Baujahren bringen ihre Fahrer an kulturelle Highlights, die es wegen ihrer besonderen historischen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Bedeutung wert sind, für die Menschheit erhalten zu werden.

Klein: ,,Dabei geht es nicht nur um Bauwerke oder gewisse Abschnitte in der Natur, sondern auch um den Erhalt gefährdeter Traditionen und Handwerk." Die erste der ,,Erlebnistouren" zu solchen Stätten führte nach China, wo es viele UNESCO-geschützte Orte gibt. Die 2. Ausgabe hatte die Inselgruppe Hawaii zum Ziel. ,,Die Insulaner haben uns Einblicke in ihre Kultur und die Weitergabe von Traditionen durch Sprache, Tanz und Symbole gegeben", sagt Alexander Klein.

Und jetzt also Rheinland-Pfalz. Sieben 911 - alle mit E-Fuel betankt - warten in Reih und Glied, die Qual der Wahl fällt auf den Porsche 911 S 2.2 Targa aus dem Jahr 1970, der das begehrte ,,H"-Kennzeichen tragen darf. Ein Zwischending aus Coupé und Cabrio mit stählernem Überrollbügel hinter den beiden Sitzen. Für Open-Air-Gefühl sorgt das herausnehmbare Faltdach. Der noch bitterkalte Fahrwind gewinnt früh morgens das Duell mit der inzwischen eher kläglichen Heizung, sorgt für klamme Finger rund um das große und dennoch filigrane Vierspeichen-Lenkrad. Natürlich ist der Drehzahlmesser im zentralen Blickfeld, der 2,2-Liter-Sechszylinder bittet dessen Nadel zum Auf-und-Ab. Die 132 kW/180 PS waren damals das Top-Triebwerk der 911-Familie, sorgten für 230 km/h.

Die Sonne schafft es noch nicht durch das grüne Blätterwald-Dach, der Asphalt mahnt dank glänzendem Morgen-Tau zur Zurückhaltung. Trotzdem ist so ,,Elfer" damals wie heute ein kurvengieriges Spaßmobil, dessen Fünfgang-Schaltgetriebe eifrig bedient werden will. 376 Meter über Hambach thront das gleichnamige Schloss. Als Symbol der deutschen Demokratie berühmt, weil dort 1832 das Hambacher Fest mit bis zu 30.000 Teilnehmern für Aufsehen sorgte. Die Menge forderte ein geeintes Deutschland, Demokratie und Meinungsfreiheit. Verwirklicht wurde das Ansinnen erst 1918. Die Brücke von Hambach zum Porsche 911 fällt zwar schwer, gilt aber vielleicht für die Freizügigkeit der Fahrer, ihr Ziel selbst zu bestimmen oder überall dort ungehindert schnell zu fahren, wo es nicht ausdrücklich verboten ist. Andere nutzen heute jene Meinungsfreiheit, um gegen solche Sportwagen zu Felde zu ziehen und gegen sie offen zu demonstrieren. Zur Überschrift Kultur gehört zweifellos beides.

Umsteigen in den nächsten ,,Oldtimer", der vor 30 Jahren unter dem Kürzel ,,993" als vierte Generation des 911 und als letztes Modell mit luftgekühltem Boxermotor an den Start geht. Das Sahnehäubchen der Baureihe ist das Exklusivmodell Turbo S. Unter der geschlitzten Motorhaube mit ihrem gewaltigen Spoiler hält das Brachiale Einzug: 3,6 Liter Sechszylinder, 331 kW/450 PS, 300 km/h Spitze und in 4,1 Sekunden auf 100 km/h. Innen reichlich rotes Leder, Instrumententräger, Schalttafel und Handbremshebel mit Carbonteilen. Einer der 435 gebauten Exemplare steht sonst im Museum, nimmt heute aber Kurs auf den Dom von Speyer. Der trägt das Prädikat Weltkulturerbe, ein Titel, der Automobilen wohl nie zuteilwerden wird. Nicht einmal dem silbernen Überflieger.

Zusammen mit seinen sechs Stallgefährten wartet er jetzt etwas abseits des Domportals auf die Rückkehr seiner Piloten auf Zeit. Unter den zahllosen Touristen riskieren nur Männer jeden Alters die Annäherung an die Porsche-Parade.  Handy-Fotos samt Selfies anstatt Erkundung der größten romanischen Kirche der Welt, deren Bau schon 1027 begonnen wurde. Deren technische Daten sind auf ihrem Gebiet gleichfalls atemberaubend. 134 Meter Gesamtlänge, 71,20 Meter reckt sich der Ostturm, 65,60 Meter sein westliches Pendant. Vier salische Kaiser, drei Kaiserinnen sowie vier Könige haben hier ihre letzte Ruhestätte. Im Archiv und der Bibliothek lagern Zehntausende von Büchern und Dokumenten. Eine akribische Sammelleidenschaft, die auch das Porsche-eigene Unternehmensarchiv teilt: Zwei Kilometer Akten, 2,5 Millionen Fotos und Dias, 4.000 Bücher und 1.700 Stunden Filmmaterial.

Die letzte Etappe nimmt ein pythongrünes 911 Coupé aus 2023 unter die Räder. Der 911 Carrera T der aktuellen Baureihe 992 liefert alle feinen Extras des Hier und Heute. Das ,,T" steht für ,,Touring", was die Langstreckentauglichkeit und gelegentliche Ausflüge auf Naturstraßen unterstreichen soll. Die Daten verheißen einen Dreiliter-Bi-Turbo-Motor mit 283 kW/385 PS, 291 km/h, ein 7-Gang-Schaltgetriebe und eine erhöhte Bodenfreiheit von 115 mm. Diverse elektronische Systeme unterstützen den Fahrer, der Grundpreis liegt bei 123.845 Euro.

Ziel ist der ,,Doktorenhof" in Venningen, ein Weinessiggut, wo edle Tropfen der sauren und würzigen Art gekeltert und verkauft werden. Hier lernen die Porsche-Reisenden, wie gesund pur getrunkener Essig sein kann. Bereits der griechische Gelehrte Hippokrates berichtete, dass Essig bei Atemwegserkrankungen und Verdauungsbeschwerden Wunder wirkt. Die römischen Legionäre nutzen Essig als ,,Energy-Drink", den sie ,,Posca" nannten. Das sollte das Immunsystem stärken. Im Mittelalter wurden Mixturen aus Kräuteressig als wirksames Mittel eingesetzt, um schlechte Laune zu vertreiben. Ein besonderer Essig namens ,,Giacomo Casanova" soll pur getrunken gegen Sodbrennen helfen. 0,125 Liter davon sind für 19 Euro zu haben.

Am Ende der Pfalz-Tour ist die Antwort auf die Frage, was ein Porsche 911 nun mit all den Zeugnissen der Kultur gemein hat, nicht gefunden. Natürlich ist der rasende Flachmann in all seinen Epochen auch ein Kulturgut.  Es bedient Lebensfreude, Abenteuerlust oder das Vergnügen an technischen Meisterleistungen. Kulturbeflissene hätten die angesteuerten Ziele auch per Bahn oder den Autos aller Hersteller gelangen können. Aber vielleicht weckt die ,,Porsche Heritage Experience" ja die Neugier der Porsche-Gemeinde. In Gesellschaft anderer Enthusiasten der Marke könnten übliche Treffpunkte wie die ,,Sansibar" auf Sylt, die Düsseldorfer Kö oder der Nürburgring auch einmal mit Zeugen der Vergangenheit wie eben jenen Dom ergänzt werden.

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