mid-Kommentar: Formel 1 in Deutschland ausgebremst

Die Formel 1 verschwindet 2021 zum Großteil aus dem Free-TV. Für den deutschen Motorsport ist das ein herber Schlag. Hoffnungsträger ist mal wieder ein Schumacher.


Als RTL 1991 die Formel 1 erstmals durchgehend übertrug, kannten nur ein paar Insider Michael Schumacher. Doch der damals 22-Jährige raste von Anfang an auf der Überholspur. Mit dem späteren Rekord-Weltmeister als Zugpferd versammelte der Privatsender in den Hochzeiten bis zu zwölf Millionen Fans vor den Bildschirmen. Damals, in den 1990er Jahren, zog die Formel 1 eine ganze Nation in ihren Bann.

Das ist lange her, doch vor gerade einmal zehn Jahren fuhren in der Formel 1 immerhin noch sieben deutsche Fahrer mit. Die Königsklasse des Motorsports war 2010 schwarz-rot-gold gefärbt. Mit Piloten wie Sebastian Vettel, Nico Rosberg oder auch Schumacher. Große Namen, starke Charaktere.

Übrig geblieben ist 2020 Vettel, hinter dessen Karriere nach dem Aus bei Ferrari ein großes Fragezeichen steht. Und jetzt zieht auch noch RTL den Stecker. Der Sender, der seit fast 30 Jahren die Formel 1 in Deutschland im Free-TV überträgt, der einer breiten Masse den Sport zugänglich macht, der hierzulande einen immer schwereren Stand hat, wird nach der Saison 2020 die Formel 1 nicht mehr übertragen. Für den Sport ist das ein fatales Signal.

2019 kam RTL auf einen Zuschauer-Schnitt von rund vier Millionen Fans pro Rennen. Klar wurde dabei: Langeweile ist der Quotenkiller schlechthin. Oder anders gesagt: Sobald sich Vettel in den vergangenen Jahren aus dem Titelrennen verabschiedete, herrschte tote Hose vor der Glotze. Und so wurde die Formel 1 bei RTL ausgebremst.

Langeweile war in den sechs Saisons der Hybrid-Ära ein ständiger Begleiter: Alle WM-Titel, sowohl bei den Fahrern, als auch bei den Herstellern, gingen seit 2014 an Mercedes. Die silberne Dominanz erstickte jede Spannung und damit am Ende auch das Interesse der deutschen Fans im Keim. Die wollen in erster Linie Helden sehen und keine Hersteller.

Nun also verschwindet die Formel 1 zum Großteil hinter der Bezahlschranke bei Sky. Pünktlich zu dem nicht unwahrscheinlichen Szenario, dass zehn Jahre nach den "Glorreichen Sieben" plötzlich gar kein deutscher Fahrer mehr am Start ist. Dass es auch kein deutsches Rennen mehr im Kalender gibt, spricht Bände.

Für RTL mag das aus wirtschaftlicher Sicht perfektes Timing sein, für den deutschen Motorsport wird das Fragezeichen inmitten der Corona-Pandemie, kriselnder Wirtschaft und taumelnden Autobauern immer größer. Von fehlenden Helden und Identifikationsfiguren ganz zu schweigen.

Was macht Hoffnung? Schumachers Sohn Mick und dessen Cousin David kämpfen in der Formel 2 und Formel 3 im Rahmenprogramm der Formel 1 um den Aufstieg in die Königsklasse. Außerdem will sich die Formel 1 selbst neu erfinden, mit neuen Regeln und einer Budget-Obergrenze.

Nette Ansätze, die nur viel zu spät kommen. Vorerst verschwindet die Formel 1 in Deutschland in der medialen Bedeutungslosigkeit. Bis vielleicht ein Schumacher wieder auf der Überholspur ins Rampenlicht rast.

Andreas Reiners / mid

STARTSEITE