Der Überflieger

Rene Rast ist Tabellenführer der DTM, der Mann der Stunde. Auch am vierten Rennwochenende am Norisring bestimmte er die Schlagzeilen. Was macht den Erfolg des 32-Jährigen aus?


René Rast musste sich hinlegen. Durchatmen, ausruhen, inne halten. Der Tabellenführer der DTM war fertig, ausgelaugt. Platt. Das vierte Rennwochenende auf dem Norisring hatte es in sich. Und gab Rast ganz am Ende dann doch noch den Rest. "Ich brauche jetzt in bisschen Auszeit, denn ich bin etwas angeschlagen. Ich denke, mich hat eine Grippe oder sowas erwischt. Ich muss mich ausruhen und dann schauen wir, wie es weitergeht", sagte er nur. Ein kleines Meeting noch, dann verschwand er. Keine langen Kommentare mehr zum Wochenende, keine ausufernden Analysen. Rast wollte nur noch weg.

Seine letzten Tage im Zeitraffer: Erst der große Shitstorm, weil er beim Stadtrennen in Nürnberg mit dem Logo von Fußball-Rekordmeister FC Bayern München auf dem Auto fuhr. Was nicht seine Entscheidung war, er ist nicht einmal Fußball-Fan. Doch Rast erhielt Hass-Kommentare, Beleidigungen, die er als DTM-Fahrer in dem Ausmaß so noch nicht erlebt hat. Am Samstag würgte er dann im ersten Rennen beim Start den Motor ab, gewann aber trotzdem noch mit dem größten Vorsprung der DTM-Geschichte auf dem Norisring (34,4 Sekunden).

Vor dem achten Saisonlauf am Sonntag musste er sich übergeben, wurde dann auch noch im Kampf um Platz zwei in Runde eins von Nico Müller gedreht. Ausgerechnet Müller: Der Schweizer ist nicht nur Rasts Audi-Markenkollege, sondern in der Meisterschaft auch noch erster Verfolger von Spitzenreiter Rast. Doch auch hier setzte er trotz sich ankündigender Grippe zur Aufholjagd an, betrieb mit Platz sieben noch Schadensbegrenzung.

"Das ist unglücklich gelaufen, das haben wir nicht gebraucht. Wir müssen jetzt nach vorne schauen und analysieren, was schiefgelaufen ist, die Pace war da", sagte Rast. Den Platz an der Sonne baute er aber aus: Nach acht von 18 Rennen hat er 127 Punkte und damit 25 Zähler Vorsprung auf Müller (102).

Rasts DTM-Bilanz ist beeindruckend, immerhin gewann er saisonübergreifend neun der letzten 14 Rennen. In 48 Rennen seit seinem Debüt 2017 holte er 13 Siege und 19 Podiumsplätze, schaffte es 33 Mal in die Punkte. In seinem Rookie-Jahr wurde er Meister, 2018 Vizemeister. "Ein Level über allen anderen", schwärmte Ex-Formel-1-Champion Nico Rosberg, Sohn von Rosberg-Teambesitzer Keke: "Er ist wirklich ein ganz, ganz großer Fahrer." Ein Allrounder. (Fast)-Alleskönner. Ein "Ausnahmetalent", wie ihn sein Rosberg-Teamchef Arno Zensen nannte. Wenn man das bei einem 32-Jährigen noch so sagen kann. "Ein Überflieger", lobte DTM-Chef Gerhard Berger.

Doch wie schafft es Rast, dieses Level zu erreichen und zu halten? Ganz einfach: durch Erfahrung. Und vor allem durch harte Arbeit. Als besonders gesegnet mit natürlichem Talent sieht sich Rast selbst nämlich überraschenderweise gar nicht. Er ist also keiner, der sich in ein Auto setzt und sofort schnell ist. Stattdessen wirft er sich mit Fleiß, Akribie und Beharrlichkeit in die Thematik rein, setzt sich mit allem auseinander, wälzt an Rennwochenenden schon mal die halbe Nacht Daten. Freiwillige Meetings? Klar, Rast ist immer da.

Die Devise: Daten anschauen, an sich arbeiten, sich reinfuchsen, dranbleiben, mit dem Team auseinandersetzen, Kompromisse eingehen, optimal und intensiv vorbereiten "und die DTM zum Hauptthema deines Lebens machen", so Rast. Er hat über 300 Rennen in Serien wie dem GT Masters, der WEC oder dem Porsche Carrera Cup absolviert, zahlreiche Meisterschaften und 24-Stunden-Rennen gewonnen. Er fuhr seiner Karriere schon fast alles, was vier Räder hat. Der Vorteil: "Ich kann die verschiedenen Fahrstile der unterschiedlichen Fahrzeuge immer wieder adaptieren, auch im Rennen." In den GT-Rennen lernte er, Rennen und Gegner zu lesen sowie zu überholen.

Und den Umgang mit den Reifen, der in der DTM 2019 mit den neuen Autos, den leistungsstärkeren Vierzylinder-Turbomotoren mit 610 PS (vorher 500), und dem damit verbundenen höheren Abbau noch essentieller als vorher ist. Den Fahrstil mussten die Piloten deshalb anpassen - für Rast das kleinere Problem. Wie so vieles für ihn in der DTM im Moment kein großes Problem zu sein scheint. Selbst eine Grippe nicht.

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