Continental lässt sich in die Karten schauen

Wenn die IAA in Frankfurt (12. -21.9.2019) ihre Tore geöffnet hat, lohnt sich auf jeden Fall ein Besuch auf dem Messestand von Continental. Es ist dem Technologiekonzern, der sich in unterschiedlichsten Facetten der Mobilität engagiert, nicht nur hoch anzurechnen, dass er dort Flagge zeigt (im Gegensatz zu etlichen Autoherstellern), sondern auch faszinierend, was für ein üppiges Portfolio 'Conti' dort ausbreiten wird.


Wenn die IAA in Frankfurt (12. -21.9.2019) ihre Tore geöffnet hat, lohnt sich auf jeden Fall ein Besuch auf dem Messestand von Continental. Es ist dem Technologiekonzern, der sich in unterschiedlichsten Facetten der Mobilität engagiert, nicht nur hoch anzurechnen, dass er dort Flagge zeigt (im Gegensatz zu etlichen Autoherstellern), sondern auch faszinierend, was für ein üppiges Portfolio "Conti" dort ausbreiten wird.

Neben seinen Technik-Klassikern wie Antriebstechnik und Reifen werden die drei Megatrends der Mobilität fokussiert: Autonomes Fahren, Vernetzung und Elektrifizierung. Bei einer Technik-Show auf dem ADAC-Fahrsicherheitszentrum durften Fachjournalisten den Experten von Continental einen ganzen Tag lang in die Karten gucken. Die Spanne reichte von hochtheoretischen Fachvorträgen über eine Blockchain-basierte Plattform (zum Austausch von Daten und Geldtransaktionen zwischen Geschäftspartnern) bis hin zu selbst leuchtenden Warnwesten von Hilfskräften, die induktiv über die Autositz-Lehne geladen werden und zu fahrbaren Exponaten.

Der Motor-Informations-Dienste (mid) wählte aus dem Überangebot zwei Schmankerl aus, die aufzeigen, was Continental in den nächsten Jahren zur Serienreife vorantreiben will: ein preiswertes und hocheffizientes Hybridsystem für kleinere Fahrzeuge und Reifen, die sich mit wechselnden Luftdrücken unterschiedlichen Fahrbahngegebenheiten anpassen.

Der Schlüsselbegriff für den Hybridantrieb von Conti ist "48-Volt-Technologie". Bisher galt diese Spannung als zu gering, um damit ein alltagstaugliches Hybridauto zu bauen. Deshalb begegnet begegnet man bislang bei diesen Antrieben in der Regel nur Hochvoltspannungen bis zu 800 Volt, wenn es nicht allein um Boostfunktionen für den Verbrennungsmotor oder das Speichern von beim Bremsen zurückgewonnener Energie geht. Zum rein elektrischen Fahren hatten 48 Volt bisher zu wenig "Dampf".

Conti löste das Problem mit einem neu entwickelten und sehr kompakten Elektromotor, der mit Wasser gekühlt wird. Dank seines hohen Wirkungsgrades erzeugt der Motor bis zu 32 kW Leistung, was gegenüber herkömmlichen Lösungen den doppelten Wert markiert. So wird es in einem Auto der unteren Mittelklasse möglich, rein elektrisch bis zu rund 90 km/h zu erreichen. Auch die integrierte Leistungselektronik krempelten die Techniker komplett um. Ihr Ziel: den Wirkungsgrad um rund zehn Prozent zu steigern. Zudem stößt diese Kombination beim Rekuperieren (Zurückgewinnen überschüssiger Energie beim Verlangsamen des Fahrzeugs) in neue Dimensionen vor.

Um den Erfolg zu demonstrieren, bauten die Conti-Ingenieure einen Ford Focus auf die neue Technik um. Wir haben ihn ausprobiert. Anders als bei üblichen Hybridautos verzichteten die Techniker auf ein Automatik- oder Doppelkupplungsgetriebe. Das macht das System besonders preiswert, was Autoherstellern und Kunden gleichermaßen freut. Lediglich auf das Kupplungspedal wurde verzichtet, da beim Gangwechsel ein elektrisches Bauteil das Trennen und Schließen übernimmt.

Das Ergebnis: Gegenüber einem konventionellen Verbrennungsmotor spart der Conti-Hybrid beim Spritverbrauch und beim CO2-Ausstoß bis zu rund 20 Prozent ein. In einem weiteren Entwicklungsschritt könnte dieser Hybrid auch zu einer Plug-in-Version umgewandelt werden. In diesem Fall könnte der Kunde eine Förderung für Plug-in-Fahrzeuge einstreichen. Denn nach den seit 1. September 2018 gültigen Zulassungsvorschriften (WLTP-Zyklus) ist nicht mehr das rein elektrische Fahren das zentrale Kriterium, sondern ein CO2-Ausstoß von unter 50g/km.

Nicht nur sparsamer, sondern auch sicherer wäre der Autofahrer mit einer anderen Innovation von Continental unterwegs: dem Reifen mit veränderbarem Luftdruck. Momentan laufen damit die ersten Versuche im öffentlichen Straßenverkehr. Aber warum sollte sich der Fülldruck während der Fahrt verändern? Zum Beispiel, um auf der Autobahn den Rollwiderstand zu verringern und damit den Spritverbrauch zu senken. Mit dem Luftdruck kann auch die Aufstandsfläche des Reifens auf der Straße variiert werden. Mit einem schmaleren Rad sinkt so das Risiko des Aquaplanings, während das breitere im Geländebetrieb mehr Traktion beschert.

Möglich wird dieser "intelligente" Reifen durch Mini-Kompressoren, die in der Felge eingebaut sind und je nach Bedarf den Reifen aufpusten oder Luft absaugen. Continental sieht den Bedarf dieser Reifenstudie namens "DynamicPressure" speziell für Fahrzeuge, die in Flotten betrieben werden oder für solche, die nahezu ununterbrochen autonom unterwegs sind - also eher als Beitrag für nachhaltige Mobilität in der Zukunft.

Interessierte IAA-Messebesucher werden demnach bei Continental jede Menge zu sehen bekommen. Spannender ist allerdings der Aspekt, wann einzelne Lösungen oder Systeme in Serie auftauchen. Insofern wäre es nicht überraschend, wenn man beim Rundgang auf dem Messestand auch neugierige Entwicklungsingenieure bekannter Automobilhersteller trifft - selbst solcher, die vor der IAA kneifen und dort nichts präsentieren.

Klaus Brieter / mid

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