Rolls-Royce: Das "Skelett" kommt aus Bayern

Feinste Materialien, erstklassige Verarbeitung, mehr als ordentliche Fahrleistung: So kennt man Produkte aus dem Hause Rolls-Royce. Doch auch Phantom, Cullinan und Co. verfügen über ein weitgehend unsichtbares Innenleben. So profane Dinge wie Alu- und Druckguss-Teile, Klebstoffe, Schrauben, Pressnähte und Quetschverbindungen gehören zu den noblen Briten wie Knochen, Sehnen oder Gelenke zum Menschen.


Feinste Materialien, erstklassige Verarbeitung, mehr als ordentliche Fahrleistung: So kennt man Produkte aus dem Hause Rolls-Royce. Doch auch Phantom, Cullinan und Co. verfügen über ein weitgehend unsichtbares Innenleben. So profane Dinge wie Alu- und Druckguss-Teile, Klebstoffe, Schrauben, Pressnähte und Quetschverbindungen gehören zu den noblen Briten wie Knochen, Sehnen oder Gelenke zum Menschen. Was viele nicht wissen: Das Innenleben der Rolls-Royce ist eine rein bayerische Angelegenheit. Denn die Rohkarossen stammen aus Unterhollerau bei Dingolfing. Der Motor-Informations-Dienst (mid) hat nachgeschaut, wie sie gebaut werden.

Wer die Auto-Massenproduktion kennt, wundert sich darüber, wie vergleichsweise ruhig es in den 2008 erbauten Hallen zugeht. Der Grund: Für die Karosserien der Luxusgefährte ist vergleichsweise viel eher leise ablaufende Handarbeit nötig. Das Ganze lässt sich am besten mit dem Begriff automatisierte Manufaktur beschreiben. Denn wo möglich und nötig, werden natürlich auch hier Roboter eingesetzt - etwa, um das komplette Dach auf den Unterbau aufzusetzen und per Hochgeschwindigkeitsnageln zu befestigen.

Für viele der Arbeitsschritte für das Alu Space Frame genannte Auto-Skelett sind aber immer noch Menschen zuständig. Etwa für die Schweißnähte zwischen A- und C-Säule und Autodach. Die dazu eingesetzten Spezialisten müssten vier bis fünf Jahre lernen, wie das funktioniert, erklärt Fertigungsleiter Christian Kiermaier. Hier wird eingepasst und gemessen, sind jede Menge Fingerspitzengefühl und Erfahrung gefragt: "Es geht es um Zehntelmillimeter", so Kiermaier.

Es wird geschweißt, geklebt, genietet und geschraubt: Unzählige Arbeitsschritte sind nötig, bis aus insgesamt rund 3.000 Einzelteilen eine fertige Cullinan- oder Phantom-Rohkarosse zusammengebaut ist. 2.000 Schrauben und Nieten und 135.000 Millimeter Kleber werden dabei verbraucht, 50.000 Millimeter Schweißnähte gesetzt. Als vorletzten Arbeitsschritt bekommen die Alu-Konstruktionen in einer von sechs Schleifkammern im wahrsten Sinn des Wortes den letzten Schliff, ehe sie ein letztes Mal von Spezialisten mit feinsten Messwerkzeugen untersucht werden.

Dann geht es auf die erste kleine Reise, und zwar zur kathodischen Tauchlackierung (KTL), bei der der Korrosionsschutz aufgetragen wird. Anschließend haben die Karossen aus Bayern den nächsten Trip vor sich: den ins 1.300 Kilometer entfernte Goodwood, die Heimat von Rolls-Royce. Dort wird der - ebenfalls bayerische - V12-Motor implantiert, werden der Lack aufgetragen und die feinen Leder und Hölzer eingebaut. Bis zum endgültigen Brexit entsteht so letztlich ein eindrucksvolles Stück europäischer Zusammenarbeit - auf höchstem Qualitäts- und Preis-Niveau.

Das Werk in Unterhollerau wurde übrigens nicht zufällig von Konzernmutter BMW für die Spaceframe-Fertigung ausgewählt: Denn es gibt eine langjährige Kompetenz im Umgang mit Aluminium. So wurde hier schon im Jahr 1999 die Karosserie des BMW Z8 gefertigt. Aktuell arbeiten die insgesamt 310 Produktions-Mitarbeiter in zwei Schichten - die Nachfrage nach Luxuskarossen ist hoch, speziell der erst seit Anfang des Jahres ausgelieferte Cullinan weckt weltweit Begehrlichkeiten. 14 Karossen dafür werden aktuell pro Tag gefertigt, dazu vier Phantom, die auf der selben Plattform basieren. Außerdem entstehen in anderen Hallen noch die Rohkarossen für zehn Wraith, Dawn und Ghost.

Und warum setzt Rolls-Royce überhaupt auf die Aluminium Spaceframe-Bauweise? Ganz einfach, weil damit unterschiedlichste Karosserie-Konzepte realisiert werden können - von der Limousine bis zum Geländewagen. Rolls-Royce Chefentwickler Mihiar Ayoubi schwärmt von der Möglichkeit, aus einer Basis die unterschiedlichsten Radstände und Sitzhöhen herauszuholen. "Architecture of Luxury" nennt man das bei den Briten und rühmt das mit rund 550 Kilo vergleichsweise geringe Gewicht und die hohe Steifigkeit der Konstruktion aus Gussbauteilen, Strangpressprofilen und Alu-Kantteilen.

Rudolf Huber / mid

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