CO2-Grenzwerte: Eine existenzielle Herausforderung

Die krassen Probleme bei der Umsetzung des WLTP-Messzyklus zeigen deutlich, dass die deutschen Autohersteller ihre Hausaufgaben nicht immer rechtzeitig machen. Dabei steht die nächste massive Hürde schon bereit: Ab 2020 gilt in der EU ein durchschnittlicher Grenzwert von 95 Gramm CO2 pro Kilometer für die gesamte Flotte eines Autoherstellers. Und von diesem Wert sind VW, Daimler und Co. noch meilenweit entfernt.


Die krassen Probleme bei der Umsetzung des WLTP-Messzyklus zeigen deutlich, dass die deutschen Autohersteller ihre Hausaufgaben nicht immer rechtzeitig machen. Dabei steht die nächste massive Hürde schon bereit: Ab 2020 gilt in der EU ein durchschnittlicher Grenzwert von 95 Gramm CO2 pro Kilometer für die gesamte Flotte eines Autoherstellers. Und von diesem Wert sind VW, Daimler und Co. noch meilenweit entfernt.

Aktuell stößt ein Durchschnittsauto, das auf dem deutschen Markt verkauft wird, laut der Managementberatung Horváth & Partners noch mehr als 127 Gramm pro Kilometer aus. Bei Überschreitung drohen ab 2021 empfindliche Strafzahlungen in Milliardenhöhe und üble Imageschäden. Zu verhindern ist das Debakel nur wenn es gelingt, den optimalen Verkaufsmix aus Elektro-, Plug-in-Hybrid- und Verbrennungsmotor-Fahrzeugen zu finden. Doch dafür fehlen in vielen Konzernen nach Ansicht der Experten noch die für die Umsetzung nötigen Steuerungssysteme.

Die strikten Grenzwerte, die bis 2030 sogar noch einmal um 35 Prozent heruntergesetzt werden, sind dem Experten zufolge selbst mit vergleichsweise sauberen Verbrennungsmotoren schlicht unerreichbar. Zur Einordnung: Ein CO2-Ausstoß von 95 g/km entspricht einem Benzinverbrauch von 4,1 Litern oder 3,6 Litern bei einem Diesel. "Dies ist rein mit Verbrennungsmotoren nicht zu schaffen", so der Autoexperte der Unternehmensberatung, Dr. Dietmar Voggenreiter. Um die Nachfrage zu steuern, müsse der Absatz von Batteriefahrzeugen und Plug-in-Hybriden bestmöglich gefördert werden, "bis hin zu empfindlichen Preisnachlässen", so Voggenreiter. Das Absatzpotenzial für die Umweltautos sei aber noch begrenzt, denn bisher komme ein Elektro- oder Hybridauto für zu viele Käufer noch gar nicht in Frage.

Speziell deutschen Autokonzernen mit ihrem hohen Anteil an hochmotorisierten Premiumfahrzeugen drohen nach Einschätzung des Experten wegen der Grenzwerte sogar ohne Strafzahlungen Einbußen. Schließlich seien die Margen bei Fahrzeugen mit alternativen Antrieben wegen hoher Entwicklungs- und Materialkosten deutlich geringer als bei konventionellen Modellen. Strategisch gewollte, sinkende Absätze bei besonders teuren Verbrennern wie SUVs und Limousinen würden die Marge zusätzlich reduzieren.

"Die neuen CO2-Grenzwerte können das Ergebnis der Automobilhersteller verhageln, wenn sie nicht mit intelligenter Vertriebssteuerung dagegenhalten", prophezeit Voggenreiter. Dazu müsse aber zunächst jeder Hersteller den für sich optimalen Vertriebsmix ermitteln und daraus konkrete Absatzziele für jeden einzelnen Fahrzeugtyp bis in die Autohäuser hinein festsetzen. Die tatsächlichen Verkäufe der verschiedenen Modelle und Antriebsarten müssten auch nach ihrer jeweiligen CO2-Bilanz quasi in Echtzeit und in Relation zueinander im Blick behalten werden. Wenn sich Grenzwertüberschreitungen abzeichneten, müsse schnellstmöglich mit Vertriebs- und Marketingaktivitäten gegengesteuert werden. "Für Vertrieb und Controlling ist die Steuerung nach Absatzzahlen und CO2-Grenzwerten eine neue Herausforderung", so der Autoexperte. Es wird spannend, ob die Industrie dieser Herausforderung gewachsen ist.

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